Rassismus im Netz, Juni 2021

Wir haben für den «Scheinwerfer» mit Dr. Lea Stahel, Soziologin & Expertin Rassismus im Netz, und Amina Benkais-Benbrahim, kantonale Integrationsdelegierte des Kanton Waadt, über konkrete Handlungsmöglichkeiten gegen Hass im Netz gesprochen.


Dr. Lea Stahel, Autorin des Berichts «Status quo und Massnahmen zu rassistischer Hassrede im Internet: Übersicht und Empfehlungen»

Was können staatliche Institutionen konkret unternehmen, um Rassismus im Netz zu bekämpfen?

Staatliche Stellen (z.B. FRB) und staatlich unterstützte Stellen (z.B. DoSyRa) können gemäss ihrem Auftrag informieren, sensibilisieren, beraten, Position beziehen, Monitoring betreiben und Forschung und private Projekte finanziell und organisatorisch unterstützen. Gesetzgebung (in der Schweiz die Rassismus-Strafnorm, Art 261bis StGB) und Rechtsprechung wirken kontrollierend. Der dynamische Online-Rassismus erfordert dabei eine besonders flexible Anpassung.

Welche Ressourcen sind Ihrer Meinung nach wichtig, um effektiver gegen Rassismus im Netz vorzugehen?

Finanzielle Ressourcen helfen, Beratungs- und Interventionsangebote auszubauen und wissenschaftliche Erkenntnisse zu generieren, um effektive Gegenmassnahmen auszuwählen und umzusetzen. Die Anerkennung von Online-Rassismus als anzugehendes Problem erfordert zudem eine Gesamtsensibilisierung für digitale Formen von Rassismus und seinen Auswirkungen. Schliesslich helfen institutionelle Kooperationen, Verantwortlichkeiten zuzuweisen und von den jeweiligen Handlungsmöglichkeiten zu profitieren.

Die Corona-Pandemie hat eine neue Welle an rassistisch aufgeladenen Verschwörungstheorien im Netz ausgelöst. Wie schätzen Sie diese Entwicklungen für die Schweiz ein?

Auch bei uns wird teilweise Menschen ostasiatischer Herkunft die Schuld an der Pandemie gegeben und antisemitische Verschwörungstheorien zirkulieren. In Krisenzeiten voller Unsicherheit und Ambivalenz sind solche Narrative attraktiv: sie bieten simple Erklärungen für komplexe Ursachenzusammenhänge. Wer daran glaubt, meint, damit die Kontrolle zurückzuerhalten. Jedoch tragen die falschen oder verzerrten Informationen nicht zu einer nachhaltigen Problemlösung bei.

 

Amina Benkais-Benbrahim, kantonale Integrationsdelegierte des Kanton Waadt über die kantonale Kampagne zu Vorurteilen und sozialen Netzwerken: «Stop racisme»

Welche Erfahrungen haben Sie bei der Kampagne gemacht? Wie waren die Reaktionen der Öffentlichkeit?

Quantitativ war die Kampagne mit über 300 000 Besuchen auf Instagram ein grosser Erfolg. Auch die Besucherzahl auf der Website ist während der Kampagne mit mehr als 2000 Besuchen in zwei Wochen regelrecht explodiert. Qualitativ ist die Beurteilung schwieriger, aber das Feedback, das wir über die verschiedenen Kanäle erhalten haben, war positiv. Insbesondere der Verweis auf die Website wurde sehr geschätzt.

Was raten Sie Menschen, die Opfer oder Zeugen/-innen von Rassismus im Netz werden?

Wie bei anderen Erscheinungsformen von Rassismus muss auch hier absolut klar sein, dass es sich um eine Straftat handelt. Dies ist umso wichtiger, wenn sie in den sozialen Netzwerken begangen wird. Das Internet vermittelt Täter/-innen ein Gefühl von Straffreiheit, da sie sich hinter ihren Bildschirmen verstecken können. Aufgrund dieser «Entmaterialisierung» haben Zeugen/-innen den Eindruck, es handle sich nicht um eine schwerwiegende Tat, oder sie fühlen sich ohnmächtig. Inhalte sollten nicht unreflektiert «angeklickt» oder geteilt werden, und in Fällen von Hassrede sollte man nicht schweigen, sondern sich über Handlungsmöglichkeiten informieren.

Welche Rolle spielen Ihrer Meinung nach die Kantone bei der Bekämpfung von Rassismus im Netz, und welche Präventions- und Interventionsmassnahmen können sie ergreifen?

Die Kantone spielen sowohl eine zentrale Rolle bei der Informierung und Sensibilisierung der breiten Öffentlichkeit, als auch bei der Unterstützung von Fachleuten bei ihrer Aufgabe. Dies betrifft beispielsweise Berufe mit Kontakt zu Jugendlichen. Alle sollten Zugang haben zu Informationen über Handlungsmöglichkeiten sowie zu Stellen, an denen man sich wenden und informieren kann. Hierfür ist es wichtig, die Öffentlichkeit zu sensibilisieren und informieren.
 

Letzte Änderung 10.06.2021

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