Eidgenössischen Kommission für Kinder- und Jugendfragen

Bern, 29.11.2018 - Ansprache von Bundespräsident Alain Berset anlässlich des 40-jährigen Bestehens der Eidgenössischen Kommission für Kinder- und Jugendfragen – es gilt das gesprochene Wort.

Seit rund 40 Jahren hat die Schweiz eine Kommission für Kinder- und Jugendfragen. Sie beobachtet, wie es um die Heranwachsenden steht und sie vertritt deren Anliegen. Mit grosser Ausdauer, grossem Engagement und grosser Neugier auf diejenigen, die die Welt von morgen prägen werden. Oder vielleicht auch schon die Welt von heute.  

Der Erfolg der „Eidgenössischen Kommission für Kinder- und Jugendfragen" bemisst sich daran, dass es immer wieder gelungen ist, wichtige Jugendthemen dahin zu rücken, wo sie hingehören, nämlich ins Zentrum der politischen Auseinandersetzung. Bei Ihrem derzeitigen Schwerpunktthema „Digitalisierung" scheint das so stark zuzutreffen wie kaum je zuvor. Unser aller Leben wird von der digitalen Revolution rasant verändert.  

Gewiss: Auf den ersten Blick scheint genau bei diesem Thema der Graben zwischen den Jungen und den Älteren tief und breit - also zwischen «digital natives» und den analogen Ureinwohnern unseres Landes. Die digitalen Jungen sehen es wahrscheinlich so: Der analoge Mensch erscheint im Holozän - und dort lebt er auch heute noch.   

Nehmen wir nur die Berufswünsche: Die Jobs, von denen heute die Jungen träumen, hätten bis vor wenigen Jahren bei uns allen nur grosse Ratlosigkeit ausgelöst: Youtuber, Influencer, Digital Experience Manager, Chief Listening Officer. Der CLO verfolgt, was auf social media über die eigene Firma geschrieben wird. 

Ich freue mich natürlich umso mehr, dass ich hier zum Thema Jugend reden darf - trotz meines altmodischen Titels: Bundesrat. Seit 1848 unverändert. Fast schon eine Provokation.  

Wobei ein Bundesrat ja auch eine Art «Chief Listening Officer» ist: Er muss auch genau registrieren, was die Leute bewegt. Wir brauchen dafür den etwas verstaubten Begriff «Vernehmlassungsverfahren». Vielleicht sollte man dieses ja umbenennen: Zum Beispiel in «360 feedback loop».  

Auf der praktischtechnischen Ebene mag die Digitalisierung die Generationen trennen. Politisch und gesellschaftlich aber verbindet sie uns umso stärker. Denn wie bei kaum einem anderen Thema wird klar: Wir Erwachsenen stehen in der Verantwortung für die kommenden Generationen. Heute müssen die Weichen gestellt werden, damit der digitale Aufbruch nicht zu einem gesellschaftlichen Umbruch führt, der mit Unsicherheit, prekären Arbeitsbedingungen und Instabilität verbunden ist.  

Wir müssen als Gesellschaft gute Antworten finden auf Fragen wie die folgenden: Wie können wir die Digitalisierung politisch so begleiten, dass sich die Jungen sicher fühlen? Wie schützen wir die Privatsphäre? Wie sichern wir das Recht an den eigenen Daten? Sind unsere Bildungssysteme schon gut ausgerichtet auf die digitale Welt? Von der Primar- und Sekundarschule über die duale Berufsbildung und die Fachhochschulen bis zu den Unis und ETHs. Und nicht zuletzt: Was können wir tun, damit unsere Jugend nicht stresskrank wird. 

Wie heisst es doch in der Studie über die «Auswirkungen der digitalen Transformation auf die Kinder und Jugendlichen in der Schweiz», die die EKKJ in Auftrag gegeben hat: «Eine Mehrheit der Jugendlichen in der Schweiz gibt an, zu wenig Zeit für Hobbies, Vereine und soziales Engagement zu haben. Digitale Technologien spielen bei Erklärungen, warum der Druck und der Stress von Jugendlichen zugenommen hat und depressive Symptome über die Alterskohorten hinweg zunehmen, eine Rolle».  

Die Jugendlichen - und auch schon die Kinder - spüren das Dilemma der Digitalisierung, das zunehmend auch den Alltag der Erwachsenen prägt: Einerseits befreit sie uns von vielen Arbeitsabläufen, die keine Kreativität erfordern. Anderseits aber sie konfrontiert uns auch mit einer überwältigenden Zahl von Optionen, mit der umzugehen nicht einfach ist.  

Entscheidend, so eine amerikanische Studie, sind die sogenannten «transversalen Kompetenzen». So unter anderen, ich zitiere:

  • «Problemlösungsfähigkeiten, komplexe Informationen verarbeiten, abstraktes Denken,
  • Zeitmanagement, Selbstdisziplin, Anpassungsfähigkeit und Resilienz,
  • Interpersonale und interkulturelle Kompetenzen,
  • Recherchefähigkeiten sowie Kompetenz beim öffentlichen Sprechen und Präsentieren,
  • Führungsqualitäten, multikulturelle Sensibilität, Verständnis des Ökosystems,
  • Ausdauer, Anpassungsfähigkeit, Veränderungsbereitschaft,
  • Kreativität, kritisches und unternehmerisches Denken.» 

Ist das schon alles? Im Ernst: Die armen Kinder!  

Und die Studie fordert denn gleichzeitig auch: Für die «Förderung von Kreativität und psychischer Gesundheit von Heranwachsenden sind das freie Spiel sowie Lernumgebungen ohne Leistungsdruck aus entwicklungspsychologischer Sicht zentral.»  

Dieser Widerspruch - ungeheure Anforderungen bei gleichzeitiger Aufforderung, einfach zu spielen - dieser Widerspruch macht klar: Wir brauchen also nicht nur zukunftsträchtige politische Weichenstellungen. Wir brauchen auch eine Kultur, die die menschliche Befindlichkeit in den Mittelpunkt der Debatte über den digitalen Umbruch stellt.  

Also die Frage: Wie gelingt es uns, auf das zu fokussieren, was Roboter und Algorithmen nicht können - ohne aber von einem gigantischen Katalog von Kompetenzanforderungen erschlagen zu werden. 

Hier werden wir nur nachhaltige Lösungen finden, wenn alle Akteure eng zusammenarbeiten. Und eine besonders wichtige Scharnierfunktion in diesem Prozess nimmt dabei natürlich die EKKJ ein. Deshalb bin ich überzeugt: Ihre Relevanz wird künftig noch grösser werden. Und Ihr Engagement wird noch wertvoller, als es das heute schon ist.  

La force d'un pays se mesure au bien-être de ses jeunes. Cette phrase ne figure certes pas dans le préambule de notre Constitution - mais elle y aurait tout à fait sa place. Si l'on considère l'évolution démographique, on peut également affirmer que : le bien-être d'un pays se mesure à la force de ses jeunes.  

J'aimerais vous dire ici que j'ai l'espoir : que nos jeunes ouvrent une nouvelle période des Lumières.  

Aujourd'hui, nous nous montrons plutôt pessimistes sur l'évolution du débat public. Nous nous plaignons des « fake news » - alors que les jeunes, eux, discutent de la meilleure façon de reconnaître un piège à clics (ou clickbait), voire reconnaissent tranquillement qu'il est bien conçu. Bref, nous parlons de la même chose, mais en des termes totalement différents.  

Les jeunes réussissent peut-être là où nous échouons : À identifier la facette « éclairée » de l'Internet et à l'utiliser. Car Internet ne signifie pas la fin d'une société éclairée, comme on l'entend parfois.  

Internet et les réseaux sociaux provoquent plutôt un élan disruptif que l'on pourrait comparer à celui que l'imprimerie a eu sur la Réforme. La Réforme a en effet été une condition indispensable à la Renaissance et à l'humanisme, même si cette évolution a été tout sauf linéaire. L'analogie est peut-être osée. Mais politiquement, elle me paraît plus productive que de se lamenter sur l'infocalypse qui, malheureusement, nous laisse désemparés.  

En anglais, on dit : « Never waste a good crisis ». Cela vaut aussi pour la numérisation et nos débats actuellement quelque peu irrationnels: Exploitons le potentiel de cette crise, de cet élan disruptif pour mieux argumenter et pour mieux réflechir.  

La pensée critique et la critique des sources font partie des compétences-clés de l'ère du numérique. Auxquelles s'ajoute, bien entendu, une solide culture générale.  

Dans tous les cas, c'est toujours réconfortant de savoir qu'Aristote disait déjà : Je cite : « La plupart des citations tirées d'Internet sont incorrectes. »


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