Aktionswoche gegen Rassismus

In diesem Fenster auf den Diskriminierungsschutz  bentworten Itziar Marañón, Projektleiterin bei der Stadt Bern, und Lisa Wyss, wissenschaftliche Mitarbeiterin beim Kanton Freiburg, je drei Fragen rund um die jährlich stattfindende Aktionswoche gegen Rassismus. Die Interviews fanden im Frühjahr 2020 statt.


Itziar Marañón, Stadt Bern

Trägt die Aktionswoche gegen Rassismus dazu bei, Rassismus und Diskriminierung innerhalb der Verwaltung zum Thema zu machen?    

Ja. Es ist aber eine Herausforderung, dass andere Abteilungen der Verwaltung, Rassismus und Diskriminierung auch als ihr Thema verstehen. Deswegen war es wichtig, die Aktionswoche als städtisches Projekt zu etablieren und nicht als Projekt unserer Fachstelle – das war nicht selbstverständlich. Dieses Verständnis, das wir über Jahre aufgebaut haben, gibt uns Spielraum, um mit anderen Abteilungen zusammenzuarbeiten. Diese Kooperationen und gezielte interne Aktivitäten (dieses Jahr haben wir beispielsweise eine «Living Library» zum Thema Alltagsrassismus angeboten) führten zu einer erhöhten Sensibilisierung.

Ihr führt schon seit 10 Jahren eine Aktionswoche durch: Warum? Und was hat sich in der Zeit verändert in der Auseinandersetzung mit Rassismus?

Erst die Kontinuität der Aktionswoche hat dazu geführt, dass die Bedeutung des Themas nicht mehr in Frage gestellt wird. Es ist zentral, dass die Aktionswoche regelmässig stattfindet: Die Kampagne und die Veranstaltungsreihe geben dem Thema Sichtbarkeit und bieten Gelegenheit für den Austausch, das Lernen, die Reflexion und die Vernetzung. Rund um die Aktionswoche ist in Bern über die Jahre viel Neues entstanden – es haben sich neue Initiativen wie der «Berner Rassismusstammtisch» formiert; Menschen mit Rassismuserfahrung haben mit der Aktionswoche eine Plattform bekommen, um neue Formen der Auseinandersetzung mit Rassismus auszuprobieren; die Nachbargemeinden haben sich der Kampagne angeschlossen usw.

Erreicht ihr mit der Aktionswoche nicht sowieso nur die schon «Sensibilisierten»?

Auch die «Sensibilisierten» können immer noch was dazu lernen. Eine der wichtigsten Zielgruppen sind jene Bernerinnen und Berner, die im Alltag von Rassismus betroffen sind: Sie sollen wissen, dass sie gehört werden, dass ihre Erfahrungen ernst genommen werden. Sie und alle jene, die bereit sind, sich ernsthaft mit Rassismus auseinanderzusetzen, werden mit der Aktionswoche gestärkt.
Die Kommunikationskampagne, welche Plakate und weitere Zeichen im öffentlichen Raum, Medienarbeit und die Präsenz in den sozialen Medien umfasst – erreicht ein breites und vielfältiges Publikum, auch Personen, die sich nie mit dem Thema auseinandergesetzt haben. Die sozialen Medien ermöglichen zudem die Interaktion mit Menschen, die sich gegen Rassismus engagieren wollen.

 

Lisa Wyss, Kanton FR

Die Aktionswochen richten sich ja an die gesamte Bevölkerung. Wie nutzt ihr Woche dazu, um Rassismus innerhalb der Verwaltung stärker zu thematisieren?

Wir unterstützen öffentliche Einrichtungen in ihrem Bestreben, innerhalb ihrer Organisation das Thema Rassismus zu behandeln. Aktuell sind es vordergründig Gemeinden sowie Schulen, die auf unsere Projektausschreibung antworten. Weitere Ämter erreichen wir mittels Veranstaltungen, die unsere Fachstelle rund um den 21. März organisiert, Inputs im Rahmen der Kommission für Integration und Rassismusprävention und der interdirektionnellen KIP-Begleitgruppe. Auch erhält das Staatspersonal unter anderem im Rahmen der Aktionswoche täglich ausgewählte Presseberichte.

Ihr führt schon seit 8 Jahren eine Aktionswoche durch: Warum? Und was hat sich in der Zeit verändert in der Auseinandersetzung mit Rassismus?

Die Aktionswoche ist ein «Motor» zur Lancierung und Bekanntmachung neuer Projekte, welche dann während einem oder mehrerer Jahre weitergeführt werden. Sie ermöglicht es, die Medien für die verschiedenen, auch weniger sichtbaren Formen von Rassismus zu sensibilisieren und dank der Zusammenarbeit die breite Bevölkerung darüber zu informieren. Verändert hat sich der Fokus unserer Fachstelle von Diversität hin zu Rassismus – dabei können wir sowohl Rassismus auf individueller wie auch auf struktureller Ebene ansprechen. Dieser Prozess braucht Zeit und fordert von Seiten unserer bereits in der Integrationsarbeit tätigen Partnerorganisationen oft einen Paradigmenwechsel. Aber wir konnten dadurch auch neue Partnerschaften aufbauen, insbesondere mit von Rassismus betroffenen Gruppen und Organisationen. Gemeinsam mit den Partnerorganisationen definieren wir neu ein jährliches Thema und versuchen insgesamt vermehrt, Ihrem Bedürfnis auf Mitwirkung gerecht zu werden.

Die Aktionswoche ist ein Instrument der Sensibilisierung: Doch – wen erreicht ihr wirklich? 

Dank der Zusammenarbeit mit den herkömmlichen Medien und der Präsenz in den sozialen Medien erreichen wir die gesamte Bevölkerung. Mit den Projekten, die wir finanzieren, erreichen wir SchülerInnen, Lehrpersonen, soziokulturelle AnimatorInnen, Kulturschaffende und weitere Interessierte (sowohl von Rassismus betroffene Personen wie Angehörige der Mehrheitsgesellschaft). Die grosse Vielfalt der Projekte – von Workshops zu Stereotypen und Vorurteilen gegenüber Minderheiten über Projekte, die an den internen Strukturen einer Organisation arbeiten bis zu einem Stadtrundgang zur kolonialen Vergangenheit und aktuellen gesellschaftlichen Machtverhältnissen – ist eine der Stärken unserer Aktionswoche. Zudem werden unsere Partnerorganisationen mit unserer fachlichen Unterstützung gestärkt, um sich auch während des Rest des Jahres gegen Rassismus zu engagieren.

 
 

Letzte Änderung 18.06.2020

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