Rassismus im Internet stellt die Rassismusbekämpfung vor neue Herausforderungen. Die digitalen Medien und sozialen Netzwerke sind als zentrales Informations- und Kommunikationsfeld etabliert. Sie übernehmen eine wichtige Rolle, wenn es um die Informations- und Meinungsbildung geht, können aber auch für politische Zwecke, Angriffe auf individuelle Grundrechte oder auf Angehörige von Minderheiten sowie für die Verbreitung von rassistischen Inhalten genutzt werden. Digitale rassistische Hassrede äussert sich in Wort, Bild, Ton und Video und umfasst ein breites Spektrum an Sachverhalten: persönliche Attacken gegen identifizierbare Personen, Äusserungen von Einzeltätern, die mit ihren Hassreden Aufmerksamkeit und Öffentlichkeit suchen, oder aber ideologisch motivierte, koordinierte Gruppen, bei denen rassistische Hetze Teil einer breiteren Strategie von Desinformation oder Verbreitung von Verschwörungsnarrativen ist.
Mit Hassrede sind Äusserungen gemeint, die Gruppen und Mitglieder von Gruppen herabsetzen und verunglimpfen. Bei rassistischer Diskriminierung werden Menschen aufgrund ihres Aussehens und/oder ihrer tatsächlichen oder zugeschriebenen ethnischen, nationalen, kulturellen oder religiösen Zugehörigkeit ungerecht behandelt, herabgesetzt oder gedemütigt. Die «rassistische Online-Hassrede» bezieht sich auf die Hassrede im Internet als direkte bzw. unmittelbare Form der Diskriminierung, die Menschen aufgrund ihrer Zugehörigkeit abwertet.
Wo steht die Schweiz
Zur organisierten oder koordinierten Hassrede wurde bisher in der Schweiz im Vergleich zu anderen Ländern wenig geforscht. Einen Überblick über Datenlage, Herausforderungen und bestehende Massnahmen bietet die Grundlagenstudie «Status quo und Massnahmen zu rassistischer Hassrede im Internet: Übersicht und Empfehlungen» von 2020.
Auch die Covid-19-Pandemie zeigte, wie eng Verschwörungsnarrative mit antisemitischer Hetze oder Hetze gegen asiatische Personen, Personen mit Migrationshintergrund oder auch Personen aus Wissenschaft und Politik verknüpft sein können (vgl. TANGRAM 45). Rassistische Hassrede im Netz hat ein Ausmass und eine Dimension erreicht, welche die demokratische Auseinandersetzung erschweren. Digitale Hassrede ist heute ein weit verbreitetes Phänomen.
Für die Schweiz liegen einzelne Forschungsergebnisse vor, die sich auf digitale Hassrede generell beziehen. Die digitale rassistische Hassrede indes wurde bisher noch nicht mit einem speziellen Fokus beleuchtet. Ein vorläufiges Bild legt nahe, dass viele rassistische Inhalte verbreitet werden, jedoch wenig gemeldet oder angezeigt wird. Es gibt aber immer mehr behördliche und zivilgesellschaftliche Initiativen, die sich gegen Hass im Netz mit Forschung, Sensibilisierung und Meldestellen einsetzen. Gleichzeitig werden toxische und rassistische Inhalte auch über klassische Webseiten, Foren, Blogs, Online-Spiele oder private Dienste wie etwa Chats oder Messengerdienste (WhatsApp, Telegram, etc.) verbreitet, die wiederum unterschiedliche Funktionsweisen und Regelungen kennen.
Die spezifischen Online-Kommunikationsbedingungen und -mechanismen führen dazu, dass polarisierende Äusserungen zu gesellschaftlich sensiblen Themen mehr Aufmerksamkeit und Kommentare generieren als differenzierte Ausführungen, und daher auch stärker verbreitet werden. Dies fördert die Zunahme von Hassreden, wie das Monitoring der FRB Rassismus in Zahlen zeigt.
Diverse Studien belegen, dass sich Hassrede insbesondere gegen jüngere Menschen, Frauen und Angehörige von Minderheiten richten. Etwa:
Stahel 2020;
Stahel/Jakoby 2020;
Stahel/Weingartner/Lobinger/Baier, 2022;
Stahel 2018 (nur in Englisch).
In der «EU Kids Online Schweiz Studie» gaben 21 Prozent der Befragten an, Inhalte von Online-Hassrede (Nachrichten/Kommentare) gesehen zu haben, die sich gegen bestimmte Gruppen von Menschen richten. 24 Prozent wurden schon selber zum Ziel von Diskriminierungen. Und 5 Prozent haben selbst online Hassrede-Inhalte an andere geschickt.
Es ist davon auszugehen, dass sehr viele Vorfälle nicht gemeldet und noch weniger Gegenstand einer Beratung oder eines rechtlichen Verfahrens werden, und die Dunkelziffer entsprechend hoch ist.
Herausforderungen und Massnahmen
Hassrede hat nicht nur Auswirkungen auf die direkten Opfer, sondern auch auf Zuschauende bzw. «unbeteiligte» Dritte. Die Häufung von rassistischen Inhalten kann zu Gewöhnung und Gleichgültigkeit führen und so den gesellschaftlichen Diskurs prägen. Direkt Angegriffene oder Nutzer und Nutzerinnen, die mit den rassistischen Inhalten nicht einverstanden sind, ziehen sich aus dem Netz zurück. Angesichts der Wichtigkeit der digitalen Kommunikation und der sozialen Medien für die Informationsvermittlung und Meinungsbildung, führt dies zu einer Verzerrung oder gar Verhinderung der demokratischen Debatte.
Ende 2021 lancierte die Kommission gegen Rassismus EKR die Plattform www.reportonlineracism.ch für das Melden rassistischer Hassrede im Netz.
Im ersten Jahr wurden 163 rassistische Inhalte gemeldet – ein Viertel davon ist strafrechtlich relevant. Dass nur ein Teil der Hasskommentare die Voraussetzungen für eine strafrechtliche Verfolgung erfüllt und zudem viele Betroffene den Aufwand eines zivilrechtlichen Prozesses scheuen, erschwert die Bekämpfung von online Rassismus. Auch Meldungen zum Löschen von problematischen Inhalten können nur punktuell greifen.
Rechtlich-repressive Massnahmen alleine kommen gegen Hassrede nicht an; der Fokus muss zwingend auch auf die generelle Förderung der Medien- und Meinungsbildungskompetenz sowie auf eine verstärkte Information und Sensibilisierung gelegt werden.
Seit 2020 unterstützt die FRB deshalb gezielt Projekte, die sich mit Rassismus im Netz auseinandersetzen. Die FRB fördert besonders Projekte in den Handlungsfeldern Prävention und Sensibilisierung, Beratung, Monitoring und Gegenrede. Nach neusten Erkenntnissen wirkt letztere besonders gut, wenn sie Empathie für die Betroffenen erwirkt (Hangartner, 2021). Die FRB arbeitet im Bereich Rassismus im Netz u.a. auch mit der Plattform «Jugend und Medien» des Bundesamtes für Sozialversicherungen (BSV) zusammen.
Auch Politik und Behörden haben den Handlungsbedarf erkannt. Die Studie des Bundesamtes für Kommunikation (BAKOM) zur Regulierung von online Kommunikationsplattformen von 2021 identifiziert Hassrede, Falschinformation, Quasi-Zensur und Intransparenz als problematische Bereiche. Weitere Studien (BAKOM) kommen zudem zum Schluss, dass die Bevölkerung einen Anspruch auf effektiven Schutz vor illegaler Hassrede und Desinformation hat, sowie dass die Rechte der Nutzerinnen und Nutzer gegenüber den Intermediären besser geschützt werden müssten. Der Bundesrat will deshalb die Rechte der Nutzerinnen und Nutzer in der Schweiz stärken und von den Plattformen mehr Transparenz verlangen, ohne jedoch die positiven Effekte der Plattformen auf die Meinungsäusserungsfreiheit einzuschränken. Dazu sind neue gesetzliche Bestimmungen notwendig – bis 2024 soll eine entsprechende Vernehmlassungsvorlage vorliegen.
Im Postulatsbericht «Hassrede. Bestehen gesetzliche Lücken?» stellt der Bundesrat verschiedene Schwierigkeiten in der strafrechtlichen Verfolgung von Hassrede fest, kommt aber gleichzeitig – anders als etwa die EU und umliegende Länder – zum Schluss, dass die vorhandenen Rechtsmittel und Gesetze ausreichend sind.
Letzte Änderung 01.02.2024